Sonntag, 13. Oktober 2024

Geschichtsrelikt - Sowjetkaserne

Als ich vor Kurzem meine Eltern besuchte, erinnerte ich mich daran - das in einer Entfernung von 15 km mal ein Sowjetstützpunkt lag. Ich war als Kind immer hellauf begeistert, wenn die MiG´s im Tiefflug einfach über uns hinwegrauschten mit einer Schnelligkeit und ohrenbetäubenden Lärm. Ich habe mich dann spontan dazu entschlossen, mal zu schauen - was von dem Stützpunkt noch übrig ist. Immerhin ist die Wende jetzt schon 35 Jahre her und somit auch der Abzug der Russen.

Da der damalige Stützpunkt recht abgelegen war, ist er jetzt in einem regelrechten Wald zu finden. Hat man sich erstmal einen Weg durch das Gestrüpp gebannt, tauchen wie aus Zauberhand die Kasernengebäude der Soldaten auf. Die Kolosse stehen in Reih und Glied zwischen Bäumen, als wäre es schon immer so gewesen, aktuell noch 7 Stück an der Zahl.


Obwohl die Fenster in den Erdgeschoßen vernagelt sind, stehen die Türen komischerweise offen, sodass jedes Gebäude betreten werden kann. Und dieser Einladung bin ich sehr gern gefolgt.


Leider ist vom Armee-Leben im Inneren der Gebäude nicht mehr viel zu sehen. Es scheint so, als hätten die Russen bei ihrem Rückzug alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Ob Türzargen, Heizkörper, Fliesen, etc. alles wurde fein säuberlich entfernt.


Die Wohnräume der Soldaten waren recht groß und schön lichtdurchflutet und dennoch merkt man, das ein Zimmer dem anderen glich, Komfort sucht man vergebens.


Jedes Kasernengebäude verfügte über 3 Etage inkl. Dachgeschoß und war mit einer massiven Steintreppe ausgestattet. Komischerweise fehlen in allen Gebäuden die Geländer, was ich schon sehr mysteriös fand. Vielleicht bestanden sie aus Hartholz oder wertvollem Stahl, was man zu Geld machen konnte.


Kaputte Fenster und Dächer lassen ungewollt Feuchtigkeit in die Gebäude, sodass sich die Farbe regelrecht von den Wänden schält. Aber man kann das bekannte "Armeegrün" noch super erkennen.


In einem separaten Gebäude fanden wir dann diesen riesen großen Raum, der von 3 Seiten mit unzähligen Fenstern versehen war und dadurch - auch in diesem Zustand - hell und einladend wirkte. Ich denke, dass es sich um einen Veranstaltungsraum oder ähnliches handelte. Leider wird er nicht mehr lange erhalten sein, da sich bereits die Balken biegen und das Dach teilweise eingestürzt ist.


Im Offiziersgebäude wirkte es dann schon etwas edler und hochtrabender, ganze Fensterfronten bestanden aus dunklen Eichenholz mit Querstreben im selben Ton. Leider ist nicht eine einzige Fensterscheibe erhalten.


Speisesaal I entlockte mir einfach nur ein "WOW" - nach Betreten durch eine alte Holztür stand man auf einmal in diesem großen Raum mit tollen Säulen, die Stuckverzierungen aufwiesen. Einfach nur wunderschön. Hier speisten damals bestimmt die Generäle.


Speisesaal II war auch recht hübsch, aber eher schlichter gestaltet. Die tragenden Säulen sind zumindest noch in einem besseren Zustand. Ich denke, hier hielten sich die Offiziere und Unteroffiziere auf und nahmen ihre Mahlzeit zu sich.


Im Keller an einer Wand prangte dann diese Zeichnung, die ich leider nicht verstehen konnte, dafür fehlt mir wahrscheinlich das militärische Wissen. Vielleicht kann einer meiner Leser mir weiterhelfen.


Beim weiteren Erkunden der dunklen Kellergänge fiel mein Blick dann auf dieses Schild, was über einen Durchgang hing. Was darauf steht, kann ich nicht sagen, da jegliche Übersetzungsprogramme sich daran die Zähne ausbeißt. Vor allem weil es sich teilweise um kyrillische Schriftzeichen handelt.


Als ich das letzte Gebäude erkundete bis hoch zum Dachboden, fand ich diesen kleinen Schatz, achtlos in einer trockenen Ecke. Es handelt sich um eine russische Tageszeitung die das Datum: Donnerstag, den 25. November 1976. Da sie nie dem Tageslicht ausgesetzt war, sieht sie aus wie neu - als wäre sie erst vor Kurzem gedruckt wurden. 

Was ich sehr Schade finde, dass überall der rote Stern sorgfältig entfernt wurde - das Symbol der Sowjetarmee. Als wolle man das Kapitel aus der Geschichte streichen... Übersehen habe ich sie garantiert nicht, denn ich war gute 5 Stunden mit Adleraugen auf dem Gelände unterwegs.


Ich hoffe, euch hat die heutige Reise in die Vergangenheit wieder gefallen und ich bin sehr gespannt auf eure Kommentare zu diesem Ort.




9 Kommentare:

  1. Spannende Zeitreise. Das Bild der Struktur der sich ablösefrei Farbe finde ich großartig.

    Auf dem Schild steht "Lager für Gemüse" sagt mein Nachbar aus Moskau.

    Viele Grüße
    Ines

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  2. Liebe Romy, das ist wieder ein Schatz von einem Lost Place! Mir gefällt die abblätternde Farbe auch gut - sie wirkt auf dem Foto fast wie ein Tarnmuster. Die Säle mit den Säulen sind wirklich schön. Mein Übersetzungsprogramm sagte zu dem Schild "Obstgarten", aber "Lager für Gemüse", wie Ines' moskauer Nachbar sagt, ist wohl plausibler.
    Du hast mir bei dem Pottendorfer Schloss geschrieben, dass es schade ist, dass wir nicht in die oberen Räume konnten, weil man da manchmal schöne Stuckdecken findet. Das wäre wohl nicht gegangen, da sämtliche Dachstühle schon seit Ewigkeiten teilweise eingestürzt sind: Zu gefährlich und bestimmt nirgendwo mehr eine Decke zu sehen...
    Alles Liebe und schöne Oktober-Tage, Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2024/10/weltreise-2024-sw-usa-roadtrip-teil-2.html

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  3. Interessant, wie der Verfall die Gebäude verändert. Mir geht es wie Ines - die ablösende Farbe hat schon was Künstlerisches!
    LG
    Vanessa

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  4. Ein wunderschönes Lost Place! Leider kann ich im Rollstuhl solche Orte nur schwer besuchen. Umso dankbarer bin ich für deine Berichterstattung und dass ich dadurch die Gesichte, die solche Orte erzählen, trotzdem irgendwie mit erleben kann.

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  5. Bei uns in der Nähe gab es auch Stützpunkte, da gibt es auch noch alte Gebäude, interessant finde ich das alles auch.
    LG Leane

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  6. Was du alles findest!
    Liebe Grüße!

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  7. ...some history is best forgotten!

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  8. Einmal mehr habe ich mir deine Bilderserie von diesem Lost Place sehr gerne angesehen, ich bin fasziniert von diesen Orten, die du da findest.
    LG Werner und Loki

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  9. Mir is beim Betrachten eher kalt als warm geworden. Als ich die einsturzgefährtete Decke sah, dachte ich, das ist nicht ungefährlich, hier Höhlenforscherin zu sein! Fünf Stunden sind eine lange Zeit, doch ich vermute, du hast die reale Zeit vergesse und warst ganz in Zeitreisemodus. Toll, dass gleich im ersten Kommentar eine Übersetzung für den Hinweis über der Tür in kyrillischer Schrift eingetroffen ist. Du hast wieder excellente Arbeit geleistet, liebe Romy!

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